Parole? – Emil!

Die Kinder- und Jugendgruppe des Theaters Donauwörth hat sich mit „Emil und die Detektive“ einiges vorgenommen. Wie ihnen Erich Kästners Kinderbuchklassiker auf der Freilichtbühne gelingt
Von Barbara Würmseher

 

Erich Kästner hat reiche literarische Schätze hinterlassen – voller Melancholie und Heiterkeit, scharfsinniger, gesellschaftskritischer und mahnender Worte. Von all dem bleibt sein Plädoyer für die Kindheit ganz besonders im Gedächtnis haften: „Nur wer erwachsen wird und ein Kind bleibt, ist ein Mensch.“ Es ist kein Plädoyer für verzogene kleine Monster. Es ist ein Appell, sich das kindliche Staunen zu bewahren, die Neugierde aufs Leben, Spontanität und Offenheit für Neues, um nie dem Irrtum zu erliegen, ein fertiger Mensch zu sein. Kästners wunderbare Worte sind geschrieben vor bald 90 Jahren. Und doch sind es Worte für die Ewigkeit....

 

In diesem Sinne ist sein Kinderbuch-Erstling „Emil und die Detektive“ eine jener Geschichten für alle, die nicht müde werden, sich im geschriebenen Wort zwischen zwei Buchdeckeln zu verlieren. Und sich zugleich in die Bilder fallen zu lassen, die beim Lesen entstehen. Bilder, die erst recht entstehen, wenn diese Geschichte auf der Bühne lebendig wird. So lebendig, wie die Kinder- und Jugendgruppe des Theaters Donauwörth sie jetzt am Mangoldfelsen spielt. Mit einer ausbalancierten Mischung aus Spannung, Witz und Kästners Botschaft setzen Regisseurin Eva Thiem und Regieassistent Jürgen Lechner den Kinderkrimi in Szene. Ihnen und dem rund 30-köpfigen Spieler-Ensemble gelingt es, ein unterhaltsames Stück zu schmieden – quirlig und originell....

 

Voller Spielfreude lassen die Darsteller jene Geschichte entstehen, die im Provinzstädtchen Neustadt beginnt, wo Mutter Tischbein (liebevoll-resolute Magdalena Grimm) ihren Emil in den Zug setzt. Der erst elfjährige Leopold Höpfner ist in seiner ersten Hauptrolle – als Titelfigur – als artiger und zugleich aufgeweckter Sohn zu erleben. Er soll seine Großmutter (hinreißend goldig: Diana Radmiller) und Kusine Pony Hütchen (liebenswert-kecke Sophia Gerstmeier) in Berlin besuchen. Doch kurz vor dem Ziel stiehlt Ganove Grundeis (großartig unsympathisch: Christian Faul) dem Buben 140 Mark Reisegeld. Da Emil wegen eines Bubenstreichs in seiner Heimatstadt Angst vor der Polizei hat, heftet er sich auf eigene Faust auf die Fersen des Verbrechers. Nicht lange – denn dann kommt ihm eine ganze Bande Berliner Kinder zur Hilfe: Gabi mit der Hupe (sehr präsentes und charmantes Spiel: Anna-Lena Liebermann), die Professorin (frisch und natürlich: Anna Kurnoth), die kleine Dienstag (süß gespielt von Barbara Zinsmeister), Mittenzwey, Mittendrei und Jeschke (frisch interpretiert von Lea Marie Stetter, Lucca Schick und Tassilo Wider)....

 

„Wir sind stark, weil wir Freunde sind“, singen sie und lassen spüren, dass gemeinsam alles besser geht. Denn natürlich bringen sie am Ende den Gauner zur Strecke, sodass die Polizistinnen (Claudia Radmiller und Juliane Roßmann) ihn dingfest machen können. Augustin Höpfner, Luisa Aumiller, Josefine Wember, Elena Braun, Lisa Fricke, Leonie Herrmann, Lea Schick, Anna Hoser und die Bühnenstrolche komplettieren das Team, dessen flüssiges Spiel wie aus einem Guss ist. Den roten Faden hält Sabine Müller in der Hand, die als Erzählerin spielend und stimmgewaltig singend durch die Handlung führt....

 

Romanvorlagen leiden oft, wenn sie für die Bühne adaptiert werden. Die in Donauwörth gespielte Fassung beschränkt sich auf notwendige kreative Anpassungen, ohne die Vorlage aus den Augen zu verlieren. Handlung und Dialoge dieser Theaterversion sind ganz nah am Original, Kürzungen und Veränderungen aus Gründen der Machbarkeit sind sauber den Möglichkeiten der Bühne angepasst. Eine originelle Lösung ist es, die Bubenrollen mangels Darstellern mit Mädchen zu besetzen. So wird aus Gustav mit der Hupe einfach eine Gabi – die Hupe bleibt – und aus dem Professor eine Professorin. Ebenso werden weitere Bandenmitglieder verweiblicht....

 

Kostüme und Requisiten werden – soweit es eben geht – mit den modischen Ideen früherer Jahrzehnte abgedeckt. Dass dies nicht immer einheitlich möglich ist, spielt für die Gesamtwirkung keine Rolle. Es geht ums Verkleiden, es geht um die optische Illusion, die Theater dem Zuschauer bieten möchte. Und das gelingt in der Summe ganz wunderbar....

 

Aus dem Sprechtheater ein Singspiel, ja ein kleines Musical zu machen, ist ein guter Gedanke. Hintergrundmusik und Lieder stammen aus der Feder des Bremer Komponisten Thomas Zaufke. Der Donauwörther Thomas Pribbenow hat die Playback-Begleitung produziert, zu der die Akteure live singen. Die Musik kommt mal aufgeweckt und schmissig, mal Großstadt-hektisch, mal gefühlsbetont daher. Sie unterlegt die Handlung charmant und bringt gestalterische Abwechslung ins Stück. Für die zumeist kindlichen und jugendlichen Stimmen stellen die in Intonation und Melodieführung mitunter recht anspruchsvollen Songs eine echte Herausforderung dar. Sie meistern sie mit Talent und Unbekümmertheit. Alle Achtung: Sich auf die Bühne zu stellen und vor hunderten von Menschen zu singen, verdient zu Recht Applaus....

 

Am Ende darf sich jeder – Akteure wie Zuschauer – ein bisschen fühlen wie Emil, der sich nicht unterkriegen lässt und seine Probleme beherzt anpackt. Ein bisschen wie die unbekümmerte Pony Hütchen, wie die hilfsbereite Gabi und all die anderen, die das Herz auf dem rechten Fleck haben und zeigen, worauf es im Leben ankommt. Ein bisschen wie die ganze Bande, deren Stärke sich aus der Gemeinschaft nährt. Das ist eine Botschaft, die nie an Gültigkeit verliert. Danke, Erich Kästner! Danke, Theater Donauwörth!...


Kommentar schreiben

Kommentare: 0