Eine Frau gegen Kirche und Gesellschaft

Das Freilichttheater am Mangoldfelsen spielt mit „Die Päpstin“ eine geheimnisvolle Geschichte voller Rätsel
Von Barbara Würmseher

 

Oh ja – die Donauwörther Freilichtbühne am Mangoldfelsen versteht sich auf radikale Kontraste! 2016 noch in einer frivolen Revue-Posse schwelgend, frönt das Ensemble nun der schweren Kost eines von religiösen Fragen durchzogenen Mittelalter-Stoffs. „Die Päpstin“ erzählt sich nicht so locker-fluffig wie die Verwechslungs-Komödie „Sugar“. Und doch handelt es sich hier wie da um Verkleidungsgeschichten, die aus Männern Frauen machen oder umgekehrt aus einer Frau eben einen Mann.

 

Hat es sie tatsächlich gegeben, jene mutige und kluge Johanna, die im neunten Jahrhundert gelebt haben soll? Oder ist der Stoff, der Wissenschaftler, Autoren und Filmemacher fasziniert, bloße Legende? Indizien gibt es wohl für die Existenz jener Päpstin. Indes fehlen stichhaltige Beweise. Und so geht die moderne Forschung eher von Fiktion aus, als sie diesem unglaublichen Stoff Glauben schenkt. Gleichgültig! In jedem Fall übt die Biografie jener Frau, die entgegen der Spielregeln einer engstirnigen Gesellschaft ihr Selbstbestimmung lebt, auf Freunde spannender Erzählungen, auf Verschwörungstheoretiker große Faszination aus. Eine gute Wahl also, die Regisseur Wolfgang Schiffelholz getroffen hat!

 

Erzählt wird von Johanna, die sich über die Rolle erhebt, die das düstere Mittelalter den Frauen zugedacht hat. Sie ist ein wissbegieriges Kind, das nach Latein, Griechisch, Philosophie und Medizin strebt, vom unbarmherzigen Vater jedoch klein gehalten wird. Es ist ein frauenfeindliches Zeitalter, in dem die Kirche das Sagen hat. Niemand hat auszuscheren aus dem strengen Muster. Doch Johanna schlüpft in Männerkleidung, schneidet sich die Haare kurz und begehrt auf, indem sie ihr Inkognito lebt. Mit wachem Verstand, Güte und Weisheit sitzt sie schließlich auf dem Stuhl Petri und widersetzt sich den Korruptionen von Klerus und Kaiser.

 

Wenn es sie nicht gegeben hat, so steht ihre Figur doch allegorisch für Rebellion gegen eine Kirche, die damals – und ja auch heute – den Frauen eine gleichberechtigte Rolle in ihrem System versagt. Selbst unglaubliche 1200 Jahre später, hat sich da im Denken der Herren in Rom nichts Wesentliches verändert. Ist „Die Päpstin“ also vielleicht tatsächlich nur Fiktion, so darf sie zumindest als Kritik verstanden werden an einem Macht-Apparat, in dem sich seit dem Mittelalter in diesem Punkt nichts bewegt hat. Ein hoch aktueller Stoff!

 

Es gibt viel zu erzählen in dieser Bühnenfassung des opulenten Romans von Donna Woolfokl Cross. Daher tut es not, den Inhalt zu straffen. Es muss zügig voran gehen. Immer wieder schaltet sich daher die Erzählerstimme aus dem Off ein. Ein probates Mittel, die gespielte Handlung zu reduzieren und auch das Publikum wieder aufs Laufende zu bringen, sollte das den roten Faden ob der hohen Schlagzahl an Ereignissen verloren haben.

 

Das schauspielerische Niveau der Truppe um Regisseur Wolfgang Schiffelholz hält durch rund zweieinhalb Stunden reine Spielzeit nicht immer ein stabiles Level. Jedoch muss den Amateuren großer Respekt gezollt werden. Allen voran sind es die drei Johannas, die der Titelrolle Qualität verleihen. Aus dem quirligen Mädchen mit kindlichem Charme wird eine kritisch aufbegehrende junge Erwachsene und schließlich eine ernsthafte, analytisch denkende Frau voller Herzenswärme. Es ist eine Freude, Laura Zielewski, Isabella Ott und Birgit Padrok dabei zuzusehen. Aber auch sonst setzt sich das Team aus eine Vielzahl an Persönlichkeiten zusammen, die mit Ausdrucksstärke und Bühnenpräsenz überzeugen. Stellvertretend für andere seien hier genannt: Alexander Ruth, der den despotischen Vater gibt, Marion Sewald als unterdrückte Mutter, Bernd Zoels als Gelehrter und Papstbruder, Florian Lang in der Rolle des Markgrafen Gerold, der fiese Gegenspiele Anastasius (Christian Faul) und, und, und. Es ist ein insgesamt hinreißendes rund 50-köpfiges Ensemble, das sich auch in dieser Spielzeit engagiert mit der Materie seines Stückes befasst hat und die Botschaft in einer leidenschaftlichen Gesamtleistung umsetzt.

 

Zudem lauscht man gerne der atmosphärisch stimmigen Mittelalter-Musik, die der Musiker Johann Huber auf Nachbauten historischer Instrumente eingespielt hat. Sie illustriert akustisch, was das Auge auf der Bühne erfasst: eine attraktive Kulisse, die mit Nischen, Türen, Gängen, Klapp-Elementen und unterschiedlichen Ebenen geeignet ist, Schauplätze von Ingelheim über Dorstadt und Aachen bis Rom zu realisieren. Während die Akteure dort leben, leiden und lieben, quaken Frösche, flirren Glühwürmchen und streicht milde Nachtluft um die Menschen. Genau so muss Freilichttheater an einem lauen Sommerabend sein ...


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